Ein zweites Mal bin ich jetzt nach Kirgistan gereist, um weiter zu erkunden, mehr zu entdecken. Ein zweites Mal bin ich damit auch in Bishkek, der Hauptstadt des wilden zentralasiatischen Staats gelandet. Einer Stadt mit offiziellen 800.000 EinwohnnerInnen und rund 1,5 Millionen inoffiziellen EinwohnerInnen, die mich schon im Vorjahr fasziniert hat, weil ich eine derart saubere, einladende und grüne Stadt wirklich nicht erwartet hatte. Dieses Mal aber durfte ich auch viel Neues und vor allem zwei sehr wichtige Regeln dazulernen.

Der Ala-Too-Platz wurde 1984 errichtet. Manas ist der zentrale Held des Platzes.

Bishkek und die starken Männer

Erfahrungsbericht von Daniela Luschin-Wangail

Das Zentrums Bishkeks ist der Ala-Too-Platz, ein 1984 breit angelegter Platz, der in den folgenden Jahren immer wieder Schauplatz mehr oder weniger dramatischer politischer Auseinandersetzungen der kirgisischen Republik war. Wo früher ein tonnenschwerer Lenin den Platz überblickt hat, steht heute der Nationalheld Manas, der einst die 40 kirgisischen Stämme geeint haben soll und dessen Epos zu den längsten Epen der Welt zählt und damit zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben wurde. Über Jahrhunderte wurden die Heldentaten Manas, dessen Existenz nicht belegt ist, mündlich übertragen und erst im letzten Jahrhundert schriftlich festgehalten. Links von Manas stehen zwei uniformierte kirgisische Männchen regungs- und ausdruckslos und beschützen die Flagge Kirgistans. Die verglaste Kabine sei klimatisiert und die Männchen würden alle zwei Stunden ausgetauscht wird mir versichert, weil ich mütterlich besorgt in der ungewohnten Mai-Hitze die zwei bereits dehydriert über überhitzt kollapieren sehe. Somit sei das Bewachen einer Fahne durchaus erträglich meine ich und wir ziehen weiter zum nächsten starken Mann, der versteinert Bishkek verschönert.

Lenin steht heute nicht mehr am Ala-Too-Platz. Dahinter. Aber immer noch recht präsent.

Koschomkul, ein Hüne von 2,30 Meter, steht da und trägt ein Pferd auf den Schultern. Er soll zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt haben und ja, er war so wie die Kirgisen eben sind: superstark. Deswegen hat er sein Pferd, nachdem dieses erschöpft auf einer langen Reise den Geist aufgegeben hat, eben auf seinen Schultern durch die Berge getragen. Als ich meinte, dass vielleicht das Pferd ja kein Pferd, sondern vielleicht nur ein verkümmerter Esel war, weil ein Pferd könne ja nicht wirklich jemand tragen, zeigte sich Rakhat, mein kirgisischer Begleiter ein klein wenig beleidigt. Nein, nein, das sei so. Kirgisen seien stark. Vielleicht, so fügte er hinzu, liegt es ja daran, dass sie von klein auf schon Kumyz, fermentierte Stutenmilch, tränken, und die mache stark. Kirgisen, so fügte er hinzu, würden ja auch mit nur einer Hand eine 50kg schwere tote Ziege heben können, wie man das eben beim Volkssport Kökbürü macht, bei dem wie beim Polo die Spieler auf Pferden reiten, nur anstatt mit einem Ball wird mit einer toten Ziege gespielt. Nun gut. Ich bin überzeugt. Kirgisen sind stärker als alle anderen.

So war er, Koschomgul, riesig und stark, so stark, dass er sogar Pferde tragen konnte.

Bestätigt wird dies dann beim Treffen mit einem Mitarbeiter eines Restaurants, der mir mit überragendem Nationalstolz davon erstolz, dass Attila, der Hunne, eigentlich auch ein Kirgise war, mütterlicherseits zumindest (und die hat ihn vermutlich auch mit der potenten Stutenmilch gefüttert) und ihmzufolge als einziger das römische Reich einnehmen konnte. Ich lege mich nicht an mit diesem mir als Österreicherin durchaus etwas befremdlichen Nationalstolz und bin gegen des Ende des Tages einfach überzeugt, dass Kirgisen eine Nation von nicht-grünen Hulks sind. Erste kirgisische Regeln gelernt:

Zweifle nie an der übermenschlichen Stärke eines kirgischen Mannes!

Dieser nette Kirgise hat mir erklärt, dass Attila eigentlich ein Kirgise war. Ob das stimmt, hab ich nicht mehr wirklich nachrecherchieren können. Ich glaube es jetzt einfach mal.

Bevor dieser eindrückliche Tag voller testosterongeschwängerter Männerlobeshymnen endet, beschließe ich nochmals kurz einen Abstecher zum berühmten Osh-Basar zu machen, und mich eher auf den inzwischen knurrenden Magen als den – bei mir unterforderten –                    Bizeps zu konzentrieren. Der Osh-Basar ist ein typisch orientalischer Markt, dessen Luft geschwängert von verführenden Düften diverser Gewürze und ein Augenschmaus aus bunten Trockenfrüchten, Linsen, weißen und braun-roten Reissorten, ornamentalisch verzierten Fladenbrote, Nüssen in allen Formen und seltsam anmutenden Trockenkäseformationen ist. Die VerkäuferInnen grinsen mich mir vergoldeten Zähnen freundlich an, lassen mich alles kosten und sind überaus ehrlich gastfreundlich. Am Ende kaufe ich mehr als ich in nur einem Abend verputzen könnte, selbst wenn ich die letzten Tage gehungert hätte, und lerne die zweite kirgisische Regel meiner Reise.

Geh nie hungrig zum Osh-Basar!

Eingang zum Osh-Basar

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