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Dieser Artikel ist keine theoretische Abhandlung über Fernreisen mit Kindern. Es ist ein Sammelsurium meiner praktischen Erfahrungen als dreifache Mutter, die jedes Jahr für mindestens zwei Monate ihre Koffer packt und sich mit dem Nachwuchs auf eine abenteuerliche Reise begibt. Und nein, es ist nicht immer ein heiteres, wolkenloses Szenarium, sondern erfordert jede Menge Kraft. Doch kräftezehrend ist der Job als arbeitende 3-fach-Mutter auch zu Hause. Also ab nach Indien!

Von Daniela Luschin-Wangail (Mama von Elvis, 8, Luis Thayas, 4, und Emil Kenrab, 0)

Der ultimative Nervenkitzel

Gehörst du zu den Menschen, die immer wieder auf der Suche nach einem neuen Kick sind? Bungee Jumping, Fallschirmspringen und Base Jumping bringen dich zum Gähnen? Dann weiß ich eine Steigerungsform für deinen Weg zum Adrenalin pur: nimm ein Baby, ein Kind mit Down-Syndrom, das nichts lieber tut als seinen Sturkopf zu präsentieren, und einen besserwissenden vor-pubertierenden Jungen und setz dich mit ihnen allein in ein Flugzeug. Glaubt mir, es gab viele spannende Momente in meinem Leben. Das war einer der nervenaufreibendsten, der mir schon Tage zuvor den Schlaf geraubt hat. Und dann? Es klappt alles (fast) wie am Schnürchen. Die Kinder spüren, dass du es ohne ihr wohlwollendes Zutun nicht schaffst und benehmen sich vorbildhaft (die beiden Jüngeren insofern, als sie fast durchwegs schlafen). Die Stewardessen kommen im 5-Minuten-Takt und fragen mitleidsgeplagt, ob sie dir irgendwie behilflich sein können und du schaffst es sogar fast einen ganzen Film auf dem Bildschirm vor dir zu sehen. Die Babys, die ringsum schreien gehören nicht zu dir und keiner der Passagiere wirft dir vorwurfsvolle Blicke zu, die am liebsten „Was bist du nur für eine Mutter, dass du dein Kind nicht händeln kannst! Mach, dass es endlich eine Ruhe gibt!“ schreiben würden.

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Unterwegs mit Kindern? Vier Hände wären durchaus von Vorteil.

Alles bloß Glück? Vielleicht. Dann hatte ich bislang viel Glück, denn ich reise seit acht Jahren nach und durch Indien mit Kind(ern). Und es gab durchaus bewegende Flugmomente mit meinen Jungs, aber keine unlösbaren. Einen, in dem die Nase nicht mehr aufgehört hatte zu bluten und die Stewardessen abwechselnd komplett gegensätzliche Tipps zur Blutstoppung gaben und aufgeregter waren als wir Eltern selbst, bis eine Ärztin nach Durchsage über Board-Mikrofon als Engel für alle Fälle die sofortige Blutgerinnung veranlasste. Für das Kind hatten wir Wechselgewand mit dabei (bitte nie-nie vergessen!), ich selbst aber war blutüberströmt und wäre fast von übereifrigen Mitmenschen am Zielflughafen notversorgt worden. Dann gab es den Moment, in dem mein lieber mittlerer Sohn eine abartige Menge seines Mageninhalts wieder nach oben durch den Mund auf den Sitzplatz katapuliert hatte, den die Flugbegleiterinnen nicht reinigen wollten, weil sie selbst ganz plötzlich von einer schweren Übelkeit betroffen waren und mir nur eilig ein paar Papiertücher zuwarfen. Unverdaute Speisereste entfernen, Handtuch aus meinem Handgepäck (Tipp #2: Immer ein Handtuch ins Handgepäck geben), auf den Sitz platzieren und Kind darauf, das Gott-sei-Dank entleert war und friedlich und erschöpft einschlummerte.

Und trotz des Nervenkitzels und der Energie, die ich während eines Fluges mit meinen Kindern verbrauche, würde ich um nichts in der Welt lieber zu Hause bleiben. Denn auch zu Hause passieren Dinge, die uns an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen und auch dort sind wir hilflos und verzweifelt. Also warum nicht wenigstens die Kulisse dazwischen mal ändern, damit die Alltags-Horror-Szenarien mal etwas mehr glitzern? Es gibt da noch einen Grund, warum ich den Wohnort gerne von Österreich nach Indien verlege.

Es geht los, Baby!

Es geht los, Baby!

Indien ist ein Paradies für Kinder

Österreich ist nur oberflächlich betrachtet ein tolles Land für Kinder. „Mach das nicht!“, „Das darf man nicht!“, „Sei bitte leise!“, „Benimm Dich!“. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Kinder ermahnen muss, wenn wir unsere geschützten vier Wände verlassen und in die Öffentlichkeit oder in die vier Wände anderer Menschen treten. Im Supermarkt, im Restaurant, auf Behörden, im Zug, beim Arzt, bei Bekannten, Verwandten und Freunden. Alles ist sauber, schön, ruhig und geordnet. Und so soll es auch bleiben. Kinder werden hier schnell zu Störfaktoren. Ich gehöre nicht zu den anti-autoritär-erziehenden Müttern, die ihre Kinder tun lassen, was sie wollen. Sind wir in Österreich, haben sie sich entsprechend der hier vorherrschenden Regeln zu verhalten. Was sie nach zigmaliger Wiederholung der Mahnung auch manchmal machen 😉 Aber das ist sooo anstrengend!

Indien ist da ein wahres Paradies! Kinder dürfen Kinder sein. Rumrennen. Laut sein. Zickig sein. Protestieren. Sich verdrecken. Sachen kaputt machen. Da atmet das burn-out-gefährdete Mutterherz auf. Keiner blickt dich kopfschüttelnd an, keiner fühlt sich gestört, wenn dein Kind unendliche Kreise im Restaurant dreht. Wenn du bei irgendwem zu Hause zu Besuch bist und mal was kaputt geht oder schmutzig wird und du reflexartig die Kinder schimpfst und ermahnst, wirst du von den Gastgebern angehalten, nicht so streng zu sein. Es sind doch Kinder! Da lacht dein Herz und du weißt wieder, du bist in Indien 🙂

Daniela und zwei ihrer drei Kinder am Pangong-See

Daniela und zwei ihrer drei Kinder am Pangong-See

Sorgen wegsperren

Wenn mich jemand nach Tipps zum sorgenfreien Reisen mit Kindern fragt, fällt mir als erstes ein, dass man das Sich-Sorgen wegsperren muss. Positives Denken bringt positive Erfahrungen. An sich und sein Glück glauben, die Kinder bitten zu kooperieren (selbst Babys scheinen das schon zu verstehen). Einfach mal ausblenden, was sein könnte. Das bringt mich übrigens zum Thema Gesundheit auf Fernreisen mit Kindern. Für viele Eltern DAS Thema Nr. 1 in der Vorbereitung, spielt es für mich gar keine allzu große Rolle. In meinem Handgepäck ist auch nichts anderes als ein Nureflex-Saft (Ich danke dem Schöpfer für dieses wundersame Allheilmittelchen für Notfälle ;-)) und Pflaster. Auch im großen Gepäck sind sonst keine weiteren Medikamente zu finden. Fahrlässig? Nein, praktisch. Indien ist einer der größten Pharmaproduzenten für Generika weltweit, da muss ich mir wirklich keine Sorgen machen, sollte ich mal ein Medikament brauchen. Auch ist dieses Land Heimat fantastischer Ärzte – nicht nur schulmedizinischen, auch ayurvedischen und homoöpathischen Hintergrunds. Da fühle ich mich besser versorgt als zu Hause.

Ich will nicht behauten, dass unsere Reisen mit den Kindern immer total entspannt verlaufen. Doch die Alternative – zu Hause bleiben – kommt für mich/uns nicht in Frage, weil die Suppe namens Leben einfach etwas Pfeffer braucht.

Momente wie diese in Kerala entschädigen für alles

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