Von Ulrike Čokl

Originaltext auf englisch von Ulrike Čokl / Übersetzt von Daniela Luschin-Wangail
Ulli hat alles in allem mehrere Jahre in Bhutan gelebt. Sie hat dort als Ethnologin über traditionelle Praktiken der Gastfreundschaft geforscht. Daher ist sie eine Expertin für das Leben in dörflichen Strukturen in ganz Bhutan. Mit und für Gesar Travel arbeitet sie individuelle und spezielle Reiseprogramme aus, in denen ganz besondere Einblicke in die reiche Kultur Bhutans gewährt werden.

Gibt es beschränkte Touristenzahlen für Reisen nach Bhutan?

Die Anzahl der Touristen nach Bhutan ist nicht durch die Regierung limitiert. Stattdessen wird der Tourismus über ein Tagestarif-System geregelt. Die gute Nachricht: du kannst Bhutan jederzeit als Individual- oder Gruppenreisender besuchen.

Wenn du eine Reise bei einer Agentur deiner Wahl buchst, die mit einem lizensierten bhutanischen Reiseveranstalter zusammenarbeitet, vermitteln sie dir diesen Tarif in deinem Namen. Der Minimum-Tagessatz für Reisen nach Bhutan beläuft sich auf 250 USD in der Hochsaison und auf 200 USD in der Nebensaison. Es werden die Nächte und nicht die Tage gerechnet [1]. Diese Gebühren beinhaltet alle Basiskosten, dh Nächtigungen in Standardhotels (oder Gästehäusern, Homestays, Lodges), Eintritte, Permits, Transporte, einen Fahrer, einen englischsprachigen Guide und drei Mahlzeiten pro Tag. Spezielle Aktivitäten wie Rafting, diverse Kurse (wie Weben, Kochen, Thangka-Malen etc.), Hot Stone-Bäder, Saunabesuche, Meditationsklassen und spezielle Reiseführer (für Themenreisen wie unsere Textilreise) verursachen zusätzliche Kosten. Darüberhinaus sind im Tagessatz Alkohol, Trinkgelder oder Spenden nicht inkludiert.

Achtung: Wenn dir Agenturen einen Preis unter dem reglementierten Tagessatz anbieten, unterbieten sie den vorgeschriebenen Mindesttarif, was nicht nur unethisch ist, sondern auch heißt, dass die involvierten Parteien (Unterkunftsbetreiber, Guides, Fahrer etc.) nicht adäquat bezahlt werden. Das heißt für dich, dass du für dein Geld auch nicht das bekommst, was du dir eigentlich erwarten kannst, bspw. minderwertige Unterkünfte, schlecht ausgebildete Guides, lieblose Standardtouren bei denen Gäste mit dem Bus von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gekarrt werden. Der Schlüssel zu einer schönen Reise ist eine vertrauenswürdige und ethisch arbeitende Agentur. Wir sind stolz darauf, dass wir nicht nur unsere Reisen an die Bedürfnisse unserer Gäste anpassen, sondern auch die beteiligten bhutanischen Mitwirkenden respektvoll behandeln und angemessen bezahlen.

Photo: Marina Beck Photography

Warum ein Tarifsystem?

Experten des bhutanischen Tourismus sagen, dass das vorherrschende Tarifsystem Massentourismus verhindert und die negativen Auswirkungen des Tourismus auf die lokale Kultur und Umwelt dadurch abgeschwächt werden.

Der Tourismus in Bhutan beginnt im Jahr 1974 mit der Krönung des vierten Königs Jigme Singye Wangchuk. Damals wurden die ersten Gästehäuser für ausländische Ehrengäste errichtet, die zu diesem besonderen Anlass eingeladen wurden. Um die neu errichtete Infrastruktur weiterhin nutzen zu können, erlaubte man es ersten Touristen nach Bhutan zu kommen. Gleichzeitig konnten dadurch Einnahmen gemacht, die einzigartige Kultur und Traditionen des Landes der Außenwelt präsentiert und die sozio-ökonomische Entwicklung stimuliert werden. Von Anfang an war der Ansatz des „Mittleren Wegs“ die ideologische und strategische Basis zur Entwicklung Bhutans. Der Tourism Council of Bhutan (TCB – Tourismusrat von Bhutan) erklärt, dass die Tourismusbranche in Bhutan auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit basiert, was bedeutet, dass der Tourismus umweltfreundlich, sozial und kulturell akzeptabel und wirtschaftlich tragfähig sein muss. Rucksacktouristen mit niedrigem Budget schienen diese Kriterien nicht zu erfüllen und wurden als Gefahr für diese Grundsätze angesehen. Die bhutanische Regierung macht sich auch Sorgen, welchen Einfluss unkontrollierte Reisende auf die lokale Kultur und Tradition haben könnten. Der zentrale Slogan des bhutanischen Tourismusansatzes lautet „hoher Wert, geringer Einfluss“.

Man kann viele positive Ansätze hinter der Strategie erkennen und im Großen und Ganzen sind die Auswirkungen durchaus als positiv anzusehen, dennoch gibt es Aspekte die man durchaus kritisieren kann. Beispielsweise sind Touristen aus Indien, Bangladesh und den Malediven vom Mindesttarifsystem ausgeschlossen. Weil Reisen nach Bhutan für Gäste aus diesen Ländern bezahlbarer sind, machen sie inzwischen den größten Anteil ausländischer Gäste aus. Während das Tarifsystem von Bhutanern größtenteils befürwortet wird, stellt sich ihnen nun die Frage ob diese (Low-Budget-)Touristen nun weniger „schadhaft“ als andere ausländische Gäste für die lokale Kultur und Umwelt sind. Die bhutanische Regierung befindet sich derzeit diesen Widerspruch betreffend in einem Prozess der Lösungsfindung.

Fragen und Kontroversen

Warum das Tarifsystem funktioniert

Trotz der Vorbehalte hat das Tarifsystem viele Vorteile. Die Regierung zieht dem Tagessatz eine Nachhaltigkeitsgebühr (SDF – Sustainable Developement Fee) in der Höhe von $ 65 ab, die in das Sozialsystem des Landes geht. Die medizinische Grundversorgung beispielsweise ist für Bhutaner und Langzeitbewohner kostenfrei. Diese Grundversorgung gilt auch für Personen wie mich, die sind über lange Zeiten in Bhutan aufhalten. Auch kleine bhutanische Reiseveranstalter, die auf Qualität, wirkliches Kennenlernen des Landes und Ethik Rücksicht nehmen, profitieren von diesem System. Derart kleine Unternehmen würden in einer sonst harten wettbewerbsliberalisierten Umgebung kaum überleben. Letztendlich entscheiden die Bhutaner selbst, in welche Richtung der Tourismus im Königreich gehen soll. Es liegt an ihnen ihr reiches kulturelles und traditionelles Repertoire und ihre Landsleute ernst zu nehmen, und so ethisch und nachhaltig wie möglich zu arbeiten, um auf diese Weise auch Einkommen für die Landbevölkerung zu generieren ohne diese auszubeuten. Einer dieser Ansätze ist es beispielsweise auch Gäste ab und zu in Farm-/Homestays unterzubringen, was der beste Weg ist, die Gastfreundschaft Bhutans kennenzulernen.

Bhutan ist ein wunderbares Reiseland und unterscheidet sich vielfach von anderen Destinationen – auch dank des Tarifsystems. Wenn du nicht gerade eine 08/15-Standard-Reise gebucht hast, wirst du auch nicht an jeder Ecke auf andere Touristen treffen und folglich wertvolle Zeit mit Einheimischen in deren Dörfern und Städten verbringen. Es gibt einige lokale Agenturen, die genau so arbeiten und wir von Gesar Travel arbeiten gerne mit ihnen zusammen.


[1] Für Touristen, die in einer Gruppe von zwei oder weniger Personen reisen, wird zusätzlich zu den Mindesttagespauschalen ein Aufpreis aufgeschlagen.

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